Donnerstag, September 06, 2007

Into the arms of strangers

Nur kurze Zeit nach meiner Ankunft aus Israel hatte mich Lisa eingeladen mit ihr und einigen der Überlebenden aus dem ehemaligen Kindertransport den Reichstag zu besichtigen. Dort hatten wir uns dann allerdings verpasst und somit erst später im Cafe Möhring am Gendarmenmarkt getroffen. In Jerusalem hatte ich schon Ester Golan getroffen und ihre Geschichte gehört und nun endlich auch Bertha Leverton.


Ein Glaskoffer erinnert in London an das Schicksal der jüdischen Kinder, die mit den Kindertransporten nach Großbritannien kamen. Jetzt soll auch in Berlin daran erinnert werden.

von Lisa Schäfer, Projektleiterin

Ich hätte nie gedacht, dass ich mal deutsche Freunde habe." Diese Worte richtete Bertha Leverton nicht nur an die Schüler des Georg-Christoph-Lichtenberg-Gymnasiums aus Berlin. Denn die heute 82jährige hat in Deutschland die Reichspogromnacht 1938/39 durchlebt und entkam der Shoa mit einem der Kindertransporte im Januar 1939 nach London, wo sie von Pflegeeltern aufgenommen wurde. Nach dem Pogrom im November 1938 hatte das britische Parlament entschieden, 10.000 jüdische Kinder aufzunehmen - ohne Eltern. Die jüngsten von ihnen waren vier Monate, die ältesten 16 Jahre alt.

Ein Koffer pro Kind war gestattet, den Koffer musste das Kind selbst tragen, kontrolliert und versiegelt von der SA.

Dieses Gepäckstück als Symbol aufgreifend, erinnert an der Liverpool-Street- Station in London ein überdimensionierter gläserner Koffer an die Kindertransporte. An dieser Stelle trafen die Kinder ihre britischen Pflegeeltern. Die große Glasvitrine, 2m x 2m x 80 cm mit Holzbeschlägen und Handgriff, enthält Erinnerungsstücke der Kinder: Struwwelpeter-Buch, Poesiealben, Transportnummern, Rucksäcke, Briefe. Unersetzbare Originale, die für die Kinder Familie bedeuten, denn 80 Prozent der Kinder sahen ihre Familien nicht wieder. Dieser Koffer soll nun nach Berlin kommen, so das Vorhaben der Projektleiterin.

Eine Schulklasse wird aktiv

Bertha Leverton hat ihr Schicksal in dem Buch "I came alone" erzählt, später haben Debora Oppenheimer und Jonathan Mark Harris daraus den Film "Kindertransport in eine fremde Welt - Into the arms of strangers" gemacht. Die SchülerInnen einer Klasse des Lichtenberg-Gymnasiums hatten diesen Film vor vier Jahren gesehen und anschließend auch Bertha Leverton erlebt, die als Zeitzeugin eingeladen war. Anfang 2005, zum 60. Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus, inzwischen Schüler der 11.Klasse, beschlossen sie, sich intensiver mit den Kindertransporten zu befassen. Sie besuchten jüdische Einrichtungen in Berlin, zeigten noch einmal den Film und luden noch einmal Bertha Leverton ein. Realisiert werden konnte dies mit Projektmitteln von "respectabel".

Für eine Reise nach London mussten allerdings die Sparschweine herhalten. Dort trafen die Berliner Schüler Bertha Leverton sowie zwölf weitere Kinder des Kindertransports im Imperial War Museum. Die Geschichte des Kindertransports ist dort auf einer ganzen Etage umfangreich mit Unterstützung der Organisation "World Jewish Relief" dokumentiert.

Die Projektleiterin hat für diese Aktion bereits Gespräche mit dem Deutschen Historischen Museum in Berlin geführt. Eine Fluggesellschaft würde den Transport des Koffers nach Berlin sponsern. Der Glaskoffer soll eine Stätte der Auseinandersetzung mit Intoleranz, Extremismus, Ausgrenzung und Verfolgung von Kindern nicht nur in Deutschland sein. Dafür brauchen die Schüler noch kreative Unterstützung und Sponsoren.

Stätte der aktiven Kommunikation

Die Geschichte der 10.000 jüdischen Kinder hat Bertha Leverton an viele Schüler und Lehrer in Deutschland weitergegeben. Im Mai 2005 wurde sie dafür von Innenminister Otto Schily mit dem Titel "Botschafterin der Toleranz" ausgezeichnet.

Die sympathische Aktivistin wird auch mit dabei sein, wenn der Koffer in Berlin seinen Platz findet. Dort, wo sie nach 67 Jahren wieder Freunde hat, die sie mit Shalom begrüßen.